Wie es begann
Von der Schnapsidee zum Ladenbesitz
Seit 2012 sind wir, Kirsi Hinze und Karen German, die Geschäftsführerinnen eines der ältesten Läden Berlins. Anfangs, ohne genau zu wissen, in welche Richtung wir uns treiben lassen werden, haben wir in den vergangenen Jahren entschieden, dass wir das Geschäft zwar modernisieren, aber dem ursprünglichen Zauberkönig treu bleiben werden.
Bei unserem Bemühen, die Geschichte unseres Ladens (eine Zusammenfassung findest du hier) und der Vorbesitzer seit 1884 zu recherchieren, ist deutlich geworden, dass wir in erster Linie einen Ort mit langer Tradition und besonderer Bedeutung für viele Menschen übernommen haben. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein Kunde davon erzählt, wie er bei Regina Schmidt oder Karens Opa Günter Klepke Juckpulver gekauft hat. Damit geht eine Verantwortung einher und wir versuchen, den Zauberkönig in diesem Sinne zu führen und zu entwickeln.
Der Zauberkönig - der einzige Scherzartikelladen der Welt auf einem Friedhof.
— Günter Klepke
Galerie der
Inhaber
Erfahre durch einen Klick auf den Pfeil mehr über die Personen, die den Zauberkönig geprägt haben bzw. heute prägen.
1884 - 1906: Josef & Leonia
Josef Leichtmann (1855 - 1929), ein jüdischer Artist, Kaufmann und Zauberhändler aus Wien, gründet 1884 gemeinsam mit seiner Frau Leonia (geb. Gantower) die ersten beiden Zauberkönige in München und Berlin, zwei weitere folgen in Köln (1909) und Hamburg (1910). Jede seiner vier Töchter ("Die magischen Schwestern") übernimmt im Laufe der Zeit mit ihrem jeweiligen Ehemann eines der Geschäfte: München - Leonie mit Otto Mösch, Berlin - Charlotte mit Arthur Kroner, Köln - Melanie mit Eduard Steinböck, Hamburg - Rosa mit Janos Bartl.
In den ersten Jahren lassen Josef und Leonia die Zauberkönige von Angestellten leiten, bis sie 1893 erst nach Berlin und 1903 dauerhaft nach München ziehen. Von hier aus lenken sie die Geschicke des Zauberkönigs Berlin, bis 1906 Tochter Charlotte die Geschäftsführung übernimmt.
1906 - 1938: Charlotte & Arthur
1906 überträgt der Gründer Josef Leichtmann den Berliner Zauberkönig seiner ältesten Tochter Charlotte Kroner geb. Leichtmann (1882 - 1943) und ihrem Ehemann Arthur Kroner (1874 - 1943). Charlotte hat die Zauberei seit Kindertagen erlernt. Ergänzt durch die kaufmännischen Fähigkeiten ihres Ehemannes führt sie das Geschäft über viele Jahre und durch die Turbulenzen des ersten Weltkrieges und die Weltwirtschaftskrise.
Allen Widrigkeiten zum Trotz schaffen sie es durch großen Eifer den Zauberkönig, den sie mittlerweile gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter Meta leiten, zu einem beliebten Treffpunkt für Zauberkünstler aus der ganzen Welt werden zu lassen. Besonders in den zwanziger Jahren erfährt das Geschäft einen starken Aufschwung.
Die Machtübernahme der Nazis 1933 bedeutet einen Einschnitt. Bis 1938 dürfen Charlotte und Arthur den Zauberkönig noch führen - ab diesem Zeitpunkt wird ihnen als Folge der von den Nazis erlassenen Nürnberger Gesetze eine Weiterführung ihrer Tätigkeit verboten und das Geschäft in "arische" Hände gelegt. Offiziell enteignet werden sie 1942 und verüben, von den Nazis gedemütigt und entrechtet, Anfang 1943 Suizid, um ihrer Deportation zu entgehen.
Ihre Tochter Meta, die den Zauberkönig erben soll und schon lange tatkräftig und mit Leidenschaft im Geschäft mitarbeitet, wird im gleichen Jahr in Auschwitz ermordet.
Die beiden anderen Töchter von Charlotte und Arthur überleben den Krieg:
Erna Floersheim geb. Leichtmann (1906 - 1979) emigriert mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern 1939 zuerst nach Uruguay und später in die USA (nach New York), wo ihre Nachfahren heute noch leben.
Hilde Altmann geb. Kroner (1909 - 1996) emigriert, ebenfalls 1939, mit ihrem Ehemann nach New York, wo sie als „Hildeen – the trickiest Hands in Magic“ eine erfolgreiche Zauberkünstlerin wird. Sie setzt sich später erfolgreich dafür ein, ihren Eltern in Berlin ein Grabmal zu setzen und den Tod ihrer Schwester Meta in der Holocaust Gedenkstätte “Yad Vashem“ in Jerusalem dokumentieren zu lassen.
2009 werden für Charlotte, Arthur und Meta Stolpersteine vor der Friedrichstraße 54 verlegt - der ursprünglichen Adresse des Zauberkönigs.
1938 - 1978: Regina
1920 beginnt Regina Schmidt geb. Richter (1907 - 1978) als 14-jährige ihre Ausbildung bei der Familie Kroner im Zauberkönig. Hier erlernt sie die Kunst der Zauberei und genießt das volle Vertrauen der Familie Kroner, hütet Kinder und Enkelkinder und arbeitet auch nach ihrer Heirat mit Georg Schmidt weiter im Laden.
Als der Zauberkönig 1938 von den Nazis "arisiert" und in "deutsche" Hände gelegt wird, übernimmt sie die Geschäfte. Die Umstände dieser Übernahme sind unklar: Ob sie vom Rassenwahn profitiert oder, wie einige Quelle nahelegen, den Zauberkönig für die Kroners erhalten und durch den Krieg retten will, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Sicher ist nur, dass sie es schafft, den Laden zu bewahren. Niemand aus der Kroner-Familie, die teils emigriert ist, teils den Holocaust nicht überlebt hat, kehrt nach Berlin zurück.
Nach dem Ende des Krieges führt sie den Zauberkönig noch 33 Jahre - bis 1978. Als 1952 inhabergeführte Geschäfte in der DDR verstaatlicht werden (der Sitz in der Friedrichstraße liegt in Ostberlin), flieht sie in einer Nacht- und Nebel-Aktion mit so vielen Produkten wie möglich im Kofferraum ihres Autos nach Westberlin, wo sie ihren Wohnsitz hat. Hier wird die Hermannstraße 84 in Neukölln (auf dem Friedhofsgelände der evangelischen Kirche) die neue Adresse des Zauberkönigs.
Obwohl sie eine von sehr wenigen Frauen in Zauberkreisen ist, erfährt Regina, die von allen nur "die Schmitten" genannt wird, große Anerkennung und macht durch die Gründung des heute noch bestehenden "Zauberfreunde Berlin e. V." auf sich aufmerksam.
1978 - 1995: Günter & Helene
Der Zauberkünstler Günter Klepke (1930 - 2020) übernimmt den Zauberkönig mit seiner Frau Helene geb. Schubert (1931 - 2019) 1978.
Schon als Kind ist Günter zauberbegeistert und besucht regelmäßig den alten Zauberkönig in der Friedrichstraße. Nach einer Jugend in Krieg bzw. Nachkriegszeit wird er in den 1960er-Jahren Mitglied im von Regina Schmidt gegründeten Verein „Zauberfreunde Berlin e.V.“ und hat so regelmäßig Kontakt zu vielen anderen Zauberkünstlern.
1978 bietet ihm Regina Schmidts Nichte Karin Witte an, den Zauberkönig ihrer verstorbenen Tante zu übernehmen. Günter und Helene nehmen an und führen das Geschäft in den kommenden fast 20 Jahren unter großer Anerkennung der Kundschaft, wobei sie sich perfekt ergänzen: Er zaubert für die Kunden, sie - gelernte Schneiderin - fertigt Kostüme und Tücher zum Zaubern. Günter, der mittlerweile als "Zauberkönig von Berlin" stadtbekannt ist, lässt auch keine Gelegenheit aus, um als Magier oder Disc Jockey aufzutrumpfen.
Mitte der 1990er-Jahre möchte Günter sich stärker auf seine Auftritte konzentrieren und so entschließen sich Helene und er, vom Verkaufsgeschäft zurückzutreten und den Zauberkönig in die Hände ihrer Tochter Mona zu legen.
1995 - 2011: Mona
Mona Schmidt geb. Klepke (1959), die nicht mit Regina Schmidt verwandt ist, arbeitet bereits seit 1978 im Zauberkönig mit. Sie ist zwar Mitglied im "Magischen Zirkel" und zaubert für Kunden, auf die Bühne verschlägt es sie allerdings nie. 1995 übernimmt sie das Geschäft vollständig, auch wenn ihr Vater Günter Klepke gelegentlich aushilft.
Gegen alle Vorurteile ("Der Zauberkönig muss männlich sein"!) erkämpft sie sich als alteingesessene Neuköllnerin ihren Platz und erlebt, wie der Zauberkönig im Zuge der Harry Potter Bücher in den 1990er-Jahren eine weitere Blütezeit erlebt.
Um die Jahrtausendwende machen der aufkommende Onlinehandel und die Konkurrenz durch die Discounter, die Teile des Produktportfolios (z. B. Feuerwerk) zu Dumpingpreisen verschleudern, den Vor-Ort-Verkauf zusehends schwieriger. 2011 entscheidet sie sich, den Zauberkönig an eine neue Generation zu übergeben.
seit 2012: Karen & Kirsi
Seit März 2012 sind wir, Karen German und Kirsi Hinze, die Inhaberinnen des Zauberkönigs Berlin. Kurz vorher erfuhren wir von Karens Tante Mona, der Vorbesitzerin, dass sie das Geschäft schließen möchte, und beschlossen über Nacht, den Laden zu retten. So wurden wir ohne Vorkenntnisse Geschäftsführerinnen eines der ältesten Läden Berlins.
Ohne jemals einen Zauberkasten in der Hand gehabt zu haben, war es nun unsere Aufgabe, Zauberkünstler zu beraten. Das war am Anfang sehr schwierig. Jeden Samstag besuchte uns deshalb Karens Großvater Günter Klepke, um uns in die Welt der Zauberei einzuführen. Schritt für Schritt haben wir verstanden, wie das Geschäft funktioniert und welch großes Erbe wir übernommen haben.
Viele Jahre und einen Ladenumzug später sind wir dem ursprünglichen Slogan: "Traditionsgeschäft für Zauber-, Scherz- und Vexierartikel" immer noch treu und versuchen, unsere Vision vom Zauberkönig umzusetzen. Mit dem Zauberkabinett, in dem wir seit einigen Jahren Zaubershows und Zauberkurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anbieten, sind wir diesem Ziel wieder einen Schritt nähergekommen und haben uns einen lang gehegten Traum erfüllt.